Von Süd- nach Ostafrika – im Krankenwagen
TIM ZAJONTZ, koi – Das neue Geislinger Stadtmagazin, Ausgabe 92, Januar 2018
Seit vielen Jahren zieht es mich regelmäßig auf den afrikanischen Kontinent. Meine letzte Reise von Kapstadt über Namibia, Sambia und Tansania nach Uganda unterscheid sich allerdings von vorherigen Trips. Ich hatte entschlossen, einen Forschungsaufenthalt im südlichen Afrika zu nutzen, um für den Geislinger Verein Freundeskreis Uganda e.V. ein Fahrzeug für dessen Partnerprojekt, die Musichimi-Klinik, zu überbringen. Und so fuhr ich in sieben Monaten vom südwestlichen Zipfel Afrikas bis zum Viktoriasee – in einem künftigen Krankenwagen.
Vom Westkap führte meine Route zunächst durch die atemberaubende Weite Namibias. Auf einer Landesfläche, die mehr als doppelt so groß ist wie die Deutschlands, leben gerade einmal 2,3 Millionen Namibianer*innen. Entsprechend einsam kann es auf Überlandfahrten durch teils karge Landschaften werden. Und, wie sollte es auch anders sein, hatte ich in genau dieser Gegend meine erste und einzige (!) Reifenpanne. Über den Caprivizipfel, der einst nach einem „Tauschhandel“ mit den Briten der deutschen Kolonialmacht Zugang zum mächtigen Sambesi-Fluss verschafft hatte, ging es weiter gen Sambia. Die Straße von der namibisch-sambischen Grenze bis Livingstone, das die weltberühmten Victoria-Fälle beheimatet, gab einen ersten Vorgeschmack auf abenteuerliche Straßenverhältnisse. Die Regenzeit hatte von der Straße wenig mehr als Schlaglöcher übrig gelassen. Denen, so musste ich später leider feststellen, fiel mein Laptop zum Opfer.
Für meine Forschung verbrachte ich einige Monate in Sambias Hauptstadt Lusaka sowie im so genannten „Kupfergürtel“ im Norden des Landes. Sambia gehört zu den größten Kupferexporteuren der Welt, ist aber zugleich Binnenland. Entsprechend rollen tagtäglich tausende Laster mit dem wertvollen Metall in Richtung der Häfen der gesamten Region. Trotz des Rohstoff-Reichtums sind die sozialen Gegensätze in Sambia riesig. Während in manchen Teilen Lusakas Shopping-Malls aus dem Boden sprießen, wachsen auch die Armenviertel, vor allem auch weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen.
Die Weiterreise Richtung Daressalam war dann über weite Strecken geprägt vom „ländlichen Afrika“. Es ging vorbei an kleinen Dörfern und Siedlungen mit einfachen Häusern, umgeben von Feldern, die größtenteils noch mit Hacke und Muskelkraft bewirtschaftet werden. Nicht zuletzt wegen des Klimas findet das öffentliche Leben hier im Freien und entlang der Straße statt. Herden von Kühen oder Ziegen kreuzen unkontrolliert die Straße, überall spielende Kinder und in Ortschaften reiht sich ein Gemüse-, Fleisch- oder Kleidungsstand an den nächsten. Schlendert man als Reisender fernab der Großstädte über den Markt, ruft es einem von jeder Ecke „Mzungu“ entgegen, eine Bezeichnung aus dem Swahili, die ursprünglich den „umherwandernden“ Missionaren galt, heute aber allgemein für Weiße verwendet wird. Nach dem obligatorischen Begrüßungs-Smalltalk kam ich nicht selten in den Genuss echter afrikanischer Gastfreundschaft.
Nach Abstechern an die Seen Tanganjika und Malawi und Aufenthalten in Mbeya sowie der ehemaligen deutschen Kolonialstadt Iringa erreichte ich Daressalam am Indischen Ozean. Die tansanische Küstenregion ist seit jeher Tor zur Welt, was sich in einer interessanten Mischung aus afrikanischen, arabischen und indischen Einflüssen widerspiegelt. Zurecht ist man in Tansania, und nicht zuletzt auf der Trauminsel Sansibar, mächtig stolz auf die reiche Swahili-Kultur.
Für die Schlussetappe bekam ich einen Reisebegleiter aus der Heimat. Gemeinsam mit Thomas Lamparter vom Freundeskreis Uganda ging es vorbei am Kilimanjaro – mit 5.895 Metern der höchste Berg Afrikas – durch den Ngorongoro Krater und die Serengeti und am Viktoriasee entlang in Richtung Ziel, der Musichimi-Klinik in Ugandas Südosten. Dort wurden wir und das Ambulanzfahrzeug herzlichst empfangen. Was bleibt nach einer solchen Reise neben unzähligen, besonderen Erinnerungen? Vor allem Wertschätzung für die Möglichkeit, reisen zu können. Und eine ungebrochene Faszination für die Vielfältigkeit und Schönheit dieses Kontinents. Der Sänger Richard Mullin sagte einmal: „Den einzigen Menschen, den ich wirklich beneide, ist derjenige, der noch niemals in Afrika gewesen ist – denn er hat noch so viel, worauf er sich freuen kann.“ Dem kann ich zustimmen.
Euer Tim