Leserbrief zu „NACHGEFRAGT: Riegert macht Platz für Schavan“ vom 22. Februar 2013, Geislinger Zeitung
TIM ZAJONTZ, Geislingen
Über die Mitgliedschaft von Herrn Riegert im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages war ich nicht überrascht, über seine Äußerungen hingegen schon. Herr Riegert lässt den Zeitungsleser wissen, dass er die Themen des Ausschusses nicht kommuniziert hat, weil sie – so wörtlich – „keinen Bezug zum Wahlkreis hatten“. Es ist genau diese Haltung von PolitikerInnen, die das Stereotyp der deutschen und europäischen Almosen für die „Armen“ in der Welt aufrecht erhält, ja gar befeuert. Es suggeriert, dass wir hier im Kreis Göppingen bzw. in Deutschland und Europa ja eigentlich keine Verantwortung für die materiellen und politischen Zustände in anderen Weltregionen haben.
Wer sich näher mit der Thematik auseinandersetzt, der stellt schnell fest: dies entspricht nicht der Wahrheit. Die Marginalisierung Afrikas sowie weiter Teile Süd- und Mittelamerikas und Asiens ist – neben einer Reihe von lokalen Ursachen – vor allem auf die strukturelle Benachteiligung dieser Regionen im Gefüge der Weltwirtschaft, die „wir hier oben“ entscheidend mitbeinflussen, zurückzuführen. Jahrzehnte der „verordneten“ Freihandelspolitik, eine ethisch äußert fragwürdige europäische Agrarpolitik, zum Teil katastrophale Arbeitsbedingungen und Umweltstandards, unter denen Rohstoffe abgebaut und Güter für den europäischen Markt produziert werden, europäische Waffenexporte – all dies sind Beispiele für den engen Zusammenhang zwischen der so genannten „Ersten“ und „Dritten“ Welt.
Ich erwarte von einem Politiker, der Mitglied einer christlichen Partei ist und aus freien Stücken entschieden hat, sich mit Entwicklungspolitik zu befassen, dass er den Bürgerinnen und Bürgern genau diese Zusammenhänge erläutert und sie öffentlich diskutiert. Vielleicht gelingt dies ja nun Riegerts Nachfolgerin im Ausschuss, Frau Shavan, besser. Ein gutes halbes Jahr Zeit hat sie ja noch. Einen Doktortitel braucht man dafür nicht.